Hinter Projection steht Thommy Frank alias Loeckchen, den ich von The Bearded kenne, der deutschen Spock's Beard Community. In den vergangenen Jahren hat er eine beachtliche Anzahl von Alben aufgenommen (sechs!), deren Highlights er nun auf seinem ersten Best Of Album 'A Brief History 1999-2005' präsentiert. Aber nicht nur das: die älteren Titel wurden dafür extra nochmals neu aufgenommen. Wer sich mit dem Booklet der in Eigenregie veröffentlichten Doppel-CD auseinandersetzt, bemerkt schnell, dass es sich bei Thommy um ein echtes Multitalent handelt: er hat nicht nur alle Songs selbst geschrieben, eingespielt und gesungen, sondern die Platte auch noch selbst produziert. Und auf der wird sehr viel geboten! Thommy hat ein Gespür für schöne Melodien und songdienliches Musizieren. Soweit ich das beurteilen kann, beherrscht er seine Instrumente (und das sind jede Menge!) ausnahmslos gut und setzt sie sehr geschickt ein. Solos kommen schon vor, sind aber nicht dominant und rücken nie störend in den Vordergrund. Stattdessen liegt das Augenmerk auf den Songs in ihrer Gesamtheit. Und das merkt man - die Titel klingen wie aus einem Guss und wirken nie künstlich "zusammengestückelt" oder "um einzelne Ideen herumgebaut".

Musikalisch erinnern die Stücke an die verschiedensten Bands aus dem Progressive Rock Bereich. Die Arrangements mit akkustischer Gitarre lassen Erinnerungen an die guten Titel von Pendragon aufkommen, bei 'Cellar Door' hat man den Eindruck einer Art Best Of Porcupine Tree zu lauschen und doch klingt es irgendwie typisch nach Projection. Selbst an Blackfield fühle ich mich manches Mal erinnern, auch, wenn deren Stil ein ganz anderer ist. Parallelen sehe ich bei den tollen, melancholisch angehauchten Melodien mancher Titel. Und zu eben diesen kommen wir jetzt - hier ist die Einzelkritik mit meinen ersten Eindrücken. Allerdings sollte ich vorausschicken, dass ich Musik meist "aus dem Bauch heraus" bewerte und mit Sicherheit kein absolutes Gehör habe. Mir geht's einfach darum, ob mich ein Stück anspricht oder nicht. Nun denn:

The Open Door: der 17-Minüter gibt gleich die Richtung vor: eingängige Melodien, abwechslungsreiche Songteile und ein guter Spannungsbogen. Macht gleich zu Beginn sehr viel Spass!

Cellar Door: eine Hommage an Porcupine Tree. Im Refrain ist mir die Stimme etwas zu leise, ansonsten aber große klasse. Der Anfang erinnert stiltechnisch an 'Blackest Eyes', der Schluss eher an die psychedelischere Phase à la 'The Sky Moves Sideways'.

Chapter Two: huch - auf einmal wird's fast schon elektronisch. Eine angenehme Überraschung, die der Platte gut tut. Mehr davon!

Let There Be More Light: das Ding groovt! Projection mal rockig, schon der Anfang ist super. Diese Seite steht Loeckchen ebenfalls ausgesprochen gut, in dieser Richtung würde ich mir mehr Titel wünschen.

Curtains: wunderschöne Ballade mit Gänsehautgarantie - die gehören einfach zu Thommys Stärken. Hier fällt auch wieder die Liebe zu Details auf, die vielen schönen "Hintergrundmelodien".

For Your Love: Ohrwurmcharakter inklusive.

Space Port: ...geht Richtung Porcupine Tree, man denke an deren '.3'. Noch ein Highlight, prima auch die Idee mit der Spieluhr gegen Ende.

It Won't Last Forever: machen wir's kurz: einer meiner Lieblingssongs.

Your Dream Of Glass: dieser sehr ruhige, verträumte Song bildet den Abschluss der ersten CD.

Rainy Summer Afternoons: Der Name ist Programm, schönes Instrumental, das den Titel gut umsetzt, Regensamples inklusive. Allerdings assoziiere ich mit Sommerregen positivere und weniger melancholische Gefühle, aber das ist bekanntlich Geschmackssache. :-)

Thoughts: Die Melodie geht mir seit Tagen nicht mehr aus dem Kopf, ein echter Ohrwurm.

Gentle: ...Giant? Der Gesang erinnert zumindest daran. Klasse Titel, sehr progressiv!

A Dream Within A Dream: Vogelgezwitscher leitet diesen etwas anderen Titel ein. Gefällt mir sehr gut, ein neuer Aspekt auf dem Album.

Chapter One: siehe 'Chapter Two'.

Together Now: erst "nur" ganz nett, aber dann! Starker Refrain, super wie sich der Titel bis zum furiosen Finale steigert!

One Of Two Kinds: Mit knapp 21 Minuten der längste Song. Deswegen müsste ich mir den eigentlich noch einige Male anhören, bevor ich ein Urteil abgebe. Aber: das Ding gefällt mir einfach jetzt schon supergut. Der Titel ist unheimlich abwechslungsreich, gerade bei Gesang und Gitarrenarbeit.

Mother: Ein sehr persönlicher, berührender Song über den viel zu frühen Tod der Mutter.

Pieces: Was? Das war's schon wieder? Der letzte Titel klingt zunächst fröhlicher als es die Lyrics vermuten lassen. Aber da muss ich nochmals genauer hinhören. :-)

Jaaa... man merkt - ich bin sehr angetan. Das Album braucht sich meines erachtens nicht hinter den Werken von "Profis" verstecken. Die Kompositionen sind wie beschrieben überaus gelungen (diese Melodien!) und auch die Produktion macht was her. Natürlich klingen echte Studiowerke noch eine Spur klarer und kommen noch etwas druckvoller daher, aber der Mix der hier vorgelegten Platte bewegt sich auf hohem Niveau. Was zählt ist letztlich eh die Musik. Wer sich für die Hintergründe zu den einzelnen Songs interessiert sollte mal auf der offiziellen Webseite vorbeischauen, wo man viele interessante Details zur Entstehung nachlesen kann und nebenbei einige komplette Songs zum Download findet. Darüberhinaus wird Loeckchen mit Projection auch auf dem Benefizsampler zu Gunsten der Kinderhilfe Afghanistan zu hören sein, der gerade von den Mitgliedern des The Bearded Forums erstellt wird.

Zum Schluss möchte ich mich noch einmal bei Thommy für diese wundervolle Musik bedanken, die in meiner Sammlung einen Ehrenplatz mehr als verdient hat. Thommy - auf Dein Werk kannst Du wirklich stolz sein! Aber das Beste habe ich mir für's Ende aufgehoben: nämlich den Untertitel von 'A Brief History': der lautet vielversprechend 'Part One'. :-)

Mehr als zwei Jahren sind vergangen, seit ich die obigen Zeilen verfasst habe. Diese Zeit hat Thommy intensiv genutzt und so steht demnächst die Veröffentlichung eines neuen Doppelalbums an: 'Mimicry - An Imagination in Two Acts' ist ein Konzeptalbum, das die Gefühlswelt von fünf Freunden beschreibt, die in einer Großstadt leben. Es handelt von Freundschaft, Liebe, Hass, Täuschung und Selbsttäuschung. Die ersten Soundschnipsel sind auf alle Fälle höchst vielversprechend!